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11:18:40 - non scholae sed vitae ...

Vorwort

Juli 2021

Der Auftrag: Spiele alle Plätze in Sachsen-Anhalt!

Zusatz: Nimm deinen Mann mit, um eine zweite Meinung zu erhalten!

Zum Golfen nach Sachsen-Anhalt? Klingt erst einmal ungewohnt für jemanden wie mich.

In den Sechzigern nötigte uns die Volksschul-Lehrerin, eine käuflich zu erwerbende Kerze ins Fenster zu stellen, um „den Brüdern und Schwestern im Osten“ zu zeigen, dass wir an sie denken. Mein Licht war schon vom Nachbarn aus nicht mehr zu sehen, Fragen nach dem Nutzen waren jedoch ebenso unerwünscht wie die nach den „Geschwistern“. Klar war nur, dass „im Osten“ arme Menschen lebten und das Böse herrschte.

In den Siebzigern nahm ich an CDU-subventionierten „Fahrten zur politischen Bildung“ teil, stand zwischen zwei schwarz-rot-gelben Grenzpfosten – bei Lebensgefahr durfte man nicht mal eine Zehenspitze über das feindliche Holz hinausstrecken – und sah dem (sehr jungen) Bösen auf einem grau gestrichenen Wachturm ins Gesicht. Außerdem wurden uns am Abend zur Abschreckung mehrere Folgen „Der schwarze Kanal“ von und mit Karl-Eduard von Schnitzler vorgeführt.

In den Achtzigern besuchte ich auf „Einladung der Staatsführung“ mit einer Jugendgruppe Erfurt und Weimar. Dabei fanden die kapitalistisch sozialisierten Schüler heraus, dass die Torte im Schaufenster der Konditorei aus Styropor bestand, das Angebot im Laden hingegen aus Brot. Harngeplagte Jungen entdeckten den zum Teil potemkinschen Charakter der hübsch restaurierten Weimarer Altstadt und brachten die „Stadtbilderklärerin“ in arge Gewissensnot. Und für die zwangsweise und manchmal wegen des extrem günstigen Kurses auch illegal eingetauschten Ostmark ließ sich in der Kaufhalle (fast) nichts kaufen, wodurch es zu einem Run auf thüringische Kuckucksuhren kam, die man aber angeblich nicht ausführen durfte, was wiederum bei der Heimreise zu grenznahen Schweißausbrüchen der begleitenden Lehrer führte.

In dieser Zeit meiner innerdeutschen Landerkundung war der „Eiserne Vorhang“ für Individualreisen zwar nicht undurchdringlich, aber mit so vielen bürokratischen Hürden und Auflagen durchwoben, dass „die sogenannte DDR“ ein weitgehend weißer Fleck auf meiner persönlichen Deutschlandkarte blieb.

In den Neunzigern ratterte ich dann über romantische, aber erschütternde Kopfsteinpflaster-Alleen durch graue Dörfer, erlebte das zaghafte Erblühen einer touristischen Infrastruktur und das Wiedererwachen alter Städte.  Kultur in Thüringen mit Hainichen und Klößen, Wandern in Sachsen mit Elbsandsteingebirge und Eierschecke, Bootstouren in Mecklenburg-Vorpommern mit Maränen ...  
Während in den letzten Jahrzehnten besonders Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern immer intensiver (auch) um (Golf-) Touristen warben, blieb es um Sachsen-Anhalt vergleichsweise still. So still, dass das Land nicht nur golferisch unter meinem Urlaubsradar lag. Das soll sich jetzt ändern.

Mein Mann, im Besitz eines großen Vorrats fester Überzeugungen, ist nicht begeistert: Der mögliche Besuch jedweden „Welterbes“ schreckt ihn eher ab. Zwei der fünf sachsen-anhaltischen (korrekte Form lt. Wikipedia) Golfplätze haben „nur“ neun Löcher, der dritte bietet immerhin 14 Fairways und 18 Abschläge. Die Bewertungen in diversen Golfforen sind durchwachsen. Wegen Corona werden die Restaurants geschlossen sein. Und zum Ziel kommt man über die berüchtigte A2 oder die mittlerweile ebenfalls in Verruf geratene A7. Nur mir zuliebe fährt er mit. Ihm zuliebe und wegen der ruhenden LKW starten wir sonntags. Es regnet. Die Stimmung sinkt.

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